GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Fragen und Erfahrungen zur Anwendung von GPS beim Wandern, Radeln, Fliegen usw.

Moderator: Roland

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Michael
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GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von Michael » 05.03.2008 - 21:20

Hallo,

was als Betreff vielleicht klingt wie der Titel eines Workshops der katholischen Landjugend sollte eine ernsthafte Frage sein:

Ich beobachte sein Jahren, dass im Sommer (Spitze ca. Juli/August) die Position meines GPS-Empfängers ca. 1 Meter höher gemessen wird als im Jahresdurchschnitt und im Winter (Tiefpunkt im November/Dezember) um ca. 1 Meter tiefer. Bild siehe unten.
Da der Empfänger nicht auf einem hohen Turm steht scheidet ein thermischer Effekt aus.
Bleibt: Was?
Der Abstand der Erde von der Sonne, also etwas was mit der Gravitation zu tun hat? (Weiss jemand ob sich die Erde jahreszeitlich gesehen anhebt und senkt? Ich denk doch eher nicht.)
Die Temperatur der Atmosphäre auf der Nordhalbkugel? (Frage: Beobachtet auf der Südhalbkugel jemand einen gegenteiligen Effekt?)
Sonst noch was?

Für irgendwelche plausiblen Erklärungen wäre ich dankbar.

Gruss
Michael
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Jörn Weber
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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von Jörn Weber » 05.03.2008 - 22:40

Hallo Michael,
Michael hat geschrieben:
was als Betreff vielleicht klingt wie der Titel eines Workshops der katholischen Landjugend sollte eine ernsthafte Frage sein:

Ich beobachte sein Jahren, dass im Sommer (Spitze ca. Juli/August) die Position meines GPS-Empfängers ca. 1 Meter höher gemessen wird als im Jahresdurchschnitt und im Winter (Tiefpunkt im November/Dezember) um ca. 1 Meter tiefer.
Die Gravitation spielt zwar eine Rolle für die tatsächliche Erdform, ist bisher wenig erforscht. Die auf der Erde verteilten Sensoren des Erdrotationsdienstes sind bisher einfach noch in zu geringer Anzahl vorhanden. Insbesodere fehlen Sensoren ausserhalb Europas und den USA. Es gibt beispielsweise zwar Schätzungen das der Mond die Erde täglich um ca. 50cm deformiert, aber um die Sonne hat sich noch niemand wirklich Gedanken gemacht. Das IFAG ist momentan bemüht der Sache näher zu kommen, dazu dient auch einen neue Station (O'Higgins) im Südpolargebiet.
Ein weiteres Problem ist, das ein hinreichend genaues mathematisches 3D-Modell der Erde immer noch fehlt. WGS84 und ITRS sind zwar in der Lage sehr genau, aber in in der Höhe zur Modellierung derartiger Probleme unbrauchbar.

Dir ist klar das auch der Erdschwerpunkt gegenüber dem ITRS/WGS84 ebenfalls durch die Gravitation schwankt?

Gruss Joern Weber

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Roland
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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von Roland » 05.03.2008 - 23:48

Hallo,

Hm, hatten wir das Heben und Senken nicht schonmal ?
Mit den Füßen unterm Schreibtisch ist gut spekulieren. Ich muss spontan ohne großes Nachdenken und ohne Quellenangaben antworten - "Rothacher steh mir bei !", weil
Jörn hat geschrieben:Ein weiteres Problem ist, das ein hinreichend genaues mathematisches 3D-Modell der Erde immer noch fehlt
Die Geodäten/Geophysiker haben schon die vierte Dimension, die Zeit, in das Erd-Modell einbezogen.
Hunderte IGS-Beobachtungsstationen sind weltweit auf den Millimeter bekannt. Man kann durch Relativmessungen einen millimetergenauen Käfig dieser Beobachtungsstationen konstruieren - wenn ein ITRS halbwegs dazu passt - dann staunt der Fachmann und der Laie wundert sich.

Dann, der Einfluss von Mond und Sonne ist aus der Gezeitenforschung wohl hinreichend bekannt, Einfluss der Sonne ...
ein Zehntel des Mondes ???
Die Einflüsse müssten halbtäglich, täglich, vielleicht 27tägig zu sehen sein. Sind sie nicht.

Fehler in den Ionosphären-Modellen ?
Müssen wir uns ein Wochenende versauen ?


Grüße Roland

Deichgraf
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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von Deichgraf » 06.03.2008 - 02:54

Hi,
da die Erde wie ein Kreisel um die Polachse eiert und sich dann auch noch auf der eliptischen Bahn um die Sonne bewegt, könnte es ja angehen, dass sich die Erde verformt, oder aber die Beugung des Raumes übt einen Einfluss auf die Schwerkraft aus, so dass ........

Aber vielleicht ändert sich Sommer's wie Winter's auch nur physisch der Durchmesser der Erde?

Gruß
Günther

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Jörn Weber
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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von Jörn Weber » 06.03.2008 - 11:19

Hallo Roland,
Hm, hatten wir das Heben und Senken nicht schonmal ?
Ja.
Mit den Füßen unterm Schreibtisch ist gut spekulieren.
Hast Du dir einen Zugang zu den Daten des IGS beschafft? :twisted:
Roland hat geschrieben: Hunderte IGS-Beobachtungsstationen sind weltweit auf den Millimeter bekannt.
Ja und? Was nützt wenn nur wenige davon auch langzeitstabiele Daten liefern. Besorge dir Zugriff
Es reich nicht aus diese Stationen einmal einzumessen und dann wieder zu vergessen, da sich die Position der Stationen selbst ständig ändert.

Gruss Joern Weber

JLacky
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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von JLacky » 06.03.2008 - 12:58

Was ist denn mit den Umlaufbahnen der Satelliten? Die Graviation der Sonne zert ja nicht nur am Erdmantel, sondern auch an den Satelliten. Und die Satelliten geben den Grafitationskräften schneller nach, wie der Erdmantel.

Im Sommer ist die Nordhalbkugel der Sonne mehr zugeneigt, wie im Winter, daher dürften die Satellitenbahnen höher über der Erdoberfläche liegen, und daher ist im Sommer die Höhe etwas größer.

Im Winter ist die Nordhalbkugel der Sonne etwas weiter 'weggeneigt', daher wirken die Grafitationskräfte mehr seitlich, und die Höhenabweichung ist nicht so drastisch.

Was mich in diesem Zusammenhang jetzt aber vielmehr interessieren würde: Wie ist die Höhendifferenz zwischen exakt 12 Uhr Mittags (Orstzeit), wenn wir der Sonne zugewandt sind, und 12 Uhr Nachts, wenn die Satelliten auf der dunklen Seite sind. Hier wäre mal eine statistische Auswrtung im Jahresverlauf, vielleicht recht interessant.

mfg
JLacky

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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von Deichgraf » 06.03.2008 - 18:18

Hi, JLacky,
die Satelliten fliegen ja nicht stur geradeaus, sie eiern immer ein bischen, die Bahn wird aber rechnerisch von den Bodenstationen korrigiert. Das habe ich in einer Diplomarbeit gelesen.

Gruß
Günther

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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von JLacky » 06.03.2008 - 18:54

Deichgraf hat geschrieben:Hi, JLacky,
die Satelliten fliegen ja nicht stur geradeaus, sie eiern immer ein bischen, die Bahn wird aber rechnerisch von den Bodenstationen korrigiert. Das habe ich in einer Diplomarbeit gelesen.
Die Frage ist halt, ob man sich die Mühe macht, jahreszeitliche Schwankungen in so einer geringen Größenordnung zu korrigieren. Jede Korrektur kostet Treibstoff/Energie und das verkürzt die Lebensdauer des Satelliten. Daher könnte ich mir schon gut vorstellen, das man so kleine Abweichungen ignoriert, da sie sowieso im Jahresmittel sich aufheben und gegen 0 gehen. Andernfals müsste man ja ständig hin und her korrigieren.

Hat jemand eine Quelle, aus der ersichtlich ist, wieviele Bahnkorrekturen im Schnitt je Satellit pro Jahr gemacht werden?

mfg
JLacky

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Michael
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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von Michael » 06.03.2008 - 20:38

Hallo Leute,

ich bin beeindruckt. Solche Themen bringen Euch ja auf Hochtouren.

Ich finde die Differenz von 2 Metern so gross, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass das ein Effekt ist, der nicht entweder:
a) sehr bekannt ist oder
b) eigentlich auskorrigiert wird oder
c) ein Artefakt meiner Anlage ist und garnicht wirklich stattfindet. (Nein, fragt mich nicht, was ich falsch programmiert habe :shock: )

Was macht ein Vermesser, der einmal im November und einmal im August misst? Der misst üblicherweise nicht mit einem Antaris 4 - Chipsatz und dem nackten L1-Signal auf +- Meter sondern mit besserem Gerät auf Zentimeter. Da muss doch sowas auffallen?
Ich fürchte es gibt alle möglichen Effekte, ich habe auch z.B. hier etwas gefunden:
http://www.sciencedirect.com/science?_o ... ed1d509586
Aber schaut Euch die Grössenordnung an, die hier vermessen wird: 10 mm
Da wären doch wohl Unterschiede von nochmal 1000 mm ein bischen aufgefallen, oder? Es muss etwas total triviales sein.

Gruss
Michael

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Jörn Weber
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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von Jörn Weber » 07.03.2008 - 12:01

Hallo Michael,
Michael hat geschrieben: Was macht ein Vermesser, der einmal im November und einmal im August misst?
Selbst wenn das GPS-Signal wieder eine Abweichung von 100 Meter hätte, würde der Vermesser nichts merken, den erhält per GSM-Verbindung-Internet-Verbindung die Korrekturtaden Referenzstationen des SAPOS-Systems. Die Deutsche Landvermessung, speziell das BKG, hat mit dem ntrip-Verfahren und der Auswertung der Phasedaten eine Methode gefunden, die unabhängig von jeglicher Codierung des Signals der Satelliten ist. Es reicht für die Landvermessung aus, das die Satelliten einfach nur senden. Die sendenden Satelliten müssen dabei nicht nur Navstars sein, russische Satelliten werden genauso verwendet wie chinesische. Die Daten der Satellitenbahnen und die exakte Zeitbasis beschaffte sich das BKG dabei aus eigenen Quellen. Die Uhr aller Uhren steht sowieso in Braunschweig und einen Bahnverfolger am Südpol besitzt Deutschland inzwischen auch.
Die Rover der Deutschen Landvermessung werten nur noch die Frequenzverschiebung des empfangenen Satellitensignals gegenüber dem Sollwert aus. Dieser Wert wird mit dem Wert einer virtuellen Referenzstation verglichen, welche sich virtuell einige Meter neben dem Rover befindet. Die virtuelle Referenzstation wird auf Anforderung durch den Rover, von einer Mainframe der Deutschen Landvermessung berechnet und deren Daten an den Rover gesendet.

Ja, so komisch wie es klingt, das BKG hat ein Verfahren gefunden die Navigationssatelliten mit einer Methode auszuwerten, für die sie eigentlich nicht konstruiert sind. Dabei spielt es keine Rolle ob die Betreiber der Navigationssatelliten erfreut sind oder nicht. Die Botschaft an die satellitenbetreiber lautet einfach, wenn Ihr ein System baut, das kontinuierlich sendet, dann werten wir es aus, ob Ihr das wollt oder nicht. Aus diesem Grund besteht momentan kein industrielles und militärisches Interesse für Deutschland mehr sich über die Fehler des GPS Gedanken zu machen. Deutschland besitzt aber ein starkes Interesse dran die Störungen der Erdform exakt zu vermessen. Dieses Wissen ist erforderlich um beim zivilen SAR-X-Projekt und natürlich auch beim militärischen SAR-Lupe vorwärts zu kommen.

Zur Zeit können zwar nur Deutschland(Leica) und Schweden(Trimble) derartige System im industriellen Umfang mit hinreichender Genauigkeit bauen und in der Fläche das Netz der physischen Referenzstationen zu errichten, aber es ist eine Frage der Zeit bis es auch Schwellenstaaten und der Dritten Welt zur Verfügung steht.

Gruss Joern Weber

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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von ssquare_de » 07.03.2008 - 12:20

Hallo Michael,



die von dir beobachteten Schwankungen führe ich auf die täglichen/jährlichen Ionosphärenschwankungen zurück.

Abhilfe:
die von dir schon angeführten 2-Frequenzempfänger, die ja durch die Auswertung 2er Frequenzen die tatsächlichen Iono-Verzögerungen am Beobachtungsort bestimmen können und in die Auswertungen der Messungen einfliessen lassen,
oder,
nicht ganz so gut, aber vieeeel besser als das starr in die Firmware der L1-Empfänger gegossene Iono-Modell,
die Verwendung von Iono-Korrekturen, die durch ein SBAS-System angebracht werden...

Der Vergleich zweier identische Empfängerboards über einen Antennensplitter an deiner Antenne angeschlossen, eines ohne SBAS-Auswertung, das andere mit EGNOS-Auswertung ( 126 ) wäre sicherlich sehr interessant...



Stefan

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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von ssquare_de » 07.03.2008 - 12:36

Ach ja, was ich oben noch vergessen habe:

bei der Bestimmung der Höhenkomponente spielen die wechselnden Laufzeitverzögerungen durch die Ionosph. eine viel grössere Rolle, da hier besonders die Auswertung der tiefstehenden Sats mit einfliesst .
Bei denen ist der Signalweg aber ( geometriebedingt ) viel länger als bei den hochstehenden Sats und damit fallen bei der Höhenbestimmung die durch die Ionosph.-Schwankungen verursachten Fehler um einiges stärker ins Gewicht.


Stefan

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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von Jörn Weber » 07.03.2008 - 12:37

Hallo Stefan,
ssquare_de hat geschrieben: die von dir beobachteten Schwankungen führe ich auf die täglichen/jährlichen Ionosphärenschwankungen zurück.
Wenn die Ionosphäre die Ursache ist, dann müsste sich diese schon beim Durchlauf der Tag- und Nachtgrenze an Michales Messaufbau nachweisen lassen. Michael, kannst Du bitte mal schauen ob sich, statistisch gesehen, die gemessene Höhe zwischen Mitternacht und Mittag unterscheidet.



Eine Linsenwirkung des Ionospäre, bei der sich der Brennpunkt der Linse jahreszeitabhängig verschiebt, ist durchaus denkbar. Hat das überhaupt schon mal einer untersucht? Eine jahreszeitabhängige deformation der Erde existiert allerdings auch, da der Abstand zwischen der Sonne und der Erde und damit die gravitation auch jahreszeitabhängig schwankt.

Gruss Joern Weber

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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von ssquare_de » 07.03.2008 - 12:59

Hallo Joern,



die Tag-Nacht Unterschiede bei den Iono-Aktivitäten ist gesicherter Stand.
Schau dazu mal auf den Websites der Sapos-Dienste nach.
Z.B. http://sapos.bayern.de/ ---> Gastzugang---> I95-Index

Statistisch befinden sich die niedrigsten Iono-Aktivitäten immer in den Nachtstunden-frühen Morgenstunden...da gibts die besten Messungen...


....wohl deshalb auch die vielen Nachtgeocacher... :D :D :D



Stefan

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Re: GPS Position im jahreszeitlichen Wandel

Beitrag von Roland » 07.03.2008 - 15:34

Hallo,


ein schlimmer Gedanke, der mich verfolgt 8) ist :
Betreibst Du Deinem Empfänger irgendwo da draußen über Solarzellen ?
Wenn ja, wie sieht denn der jahreszeitliche Spannungsverlauf aus ?

Grüße Roland

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