Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Fragen und Erfahrungen zur Anwendung von GPS beim Wandern, Radeln, Fliegen usw.

Moderator: Roland

renesis

Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von renesis » 21.11.2008 - 00:03

Hallo,

laut Listenpreis kostet ein automatisches Spurführungssystem mit einer Genauigkeit von +-2 cm (lt. Angabe) bei einem namhaften Landmaschinenhersteller 45333 Euro :!: :!: .
Zum säen bestimmt nicht schlecht, wenn da nicht dieser Preis wäre...

Was mich interessiert: Wie funktionniert das; wie kommt man auf so eine Genauigkeit, wo ja EGNOS (in Europa) nur bis +- 1-3 m geht?
Und was rechtfertigt diesen stolzen Preis? Vllt. eine extra für den Kunden aufgestellte Basisstation?
Oder zahlt man irgendwelche patentierten Algorithmen für Korrekturberechnungen?

mfg renesis

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Taurus
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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Taurus » 21.11.2008 - 16:25

Moin,

also schon allein von der Hardware kommt man bei mindestens 15.000 Euro raus...
Du brauchst einen L1/L2-Empfänger mit der Fähigkeit zur kinematischen Phasenmessung. Das macht schonmal knappe 10.000 € (Novatel OEM4 kinem.)
Dazu kommt eine robuste Antenne (bsplsw. Novatel Pinwheel) und dazu noch ein Funkmodem das über Sapos die Korrektur-Daten empfängt... dann die ganzen Kabeleien und ein bisschen Bildschirm und Software will das Herz ja auch noch haben...

Eine eigene Referenzstation wird die da nicht aufgebaut... wobei das eventuell billiger kommen würde, je nachdem welche Infrastruktur vorhanden ist...

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Roland
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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Roland » 21.11.2008 - 16:42

Hallo,


endlich wieder ein Opfer - und ich bin nur Zweiter ...

Als Grundlage erstmal
http://www.autopilot.ag/zope/guidance/d ... P_brochure
(Leica und TOPCON haben sicher Ähnliches ...)

Etwas umfangreicher
http://www.landwirtschaft.sachsen.de/lf ... 1369_1.pdf
(In der zweiten Hälfte Beispiel-Systeme)

'Precision Farming' ist eines der Stichworte für das Verfahren.
Dahinter verbergen sich verschiedene Lösungsansätze, verschieden in Hardware und Software. Alle sollen GPS-gestützt das Spurhalten beim Ackerbau ermöglichen. Die einfachste Lösung, der Landwirt nimmt das Navi aus seinem Geländewagen und klemmt es in den Traktor.

Spitzenlösungen sind wohl mehrere Zwei-Frequenzempfänger und ein Inertialsystem zur spurgenauen Bewirtschaftung.
Dabei werden auch die Kipp-, Roll- und Dreh-Bewegungen des Traktors, besser noch der angehängten Maschinen, erfasst, in einen Rechner eingespeist und Lenk-Korrekturen ausgeführt. Der Gipfel ist der automatisch gesteuerte Traktor, auf dem der Landwirt als Hauptbetätigung die Börsennachrichten liest, naja, im Moment nicht so gefragt.

'Deine' 45.000 € Ausrüstung mit den genannten Stichpunkte trifft m.W. für eine bestimmte Lösung eines Herstellers zu.
John D. bietet seinen Starfire RTK- Service mit Zweifrequenzempfängern auf Traktor und Referenzpunkt an. Die Algorithmen sind lizensiert beim JPL.
Navcom/Starfire

Es gibt aber eine Vielzahl an Kombinationen von

- Empfängern (Navis, Ein-, Zweifrequenz, GPS/Glonass )
- Korrekturdiensten (SAPOS, Omnistar, Starfire, Trimble VRSnow, EGNOS, ascos/AXIO-net, eigene Station ...)
- Zusatzsensoren (Bewegung, Bodenproben, Düngesteuerung...)
- und: Datenbankenanbindung

Wenn Du wg. der Zweizentimeter-Genauigkeit Fragen hast, gibt es neben dem fabelhaften Kowoma.de
http://netzwerk.lo-net2.de/lfvt/Fortbil ... dlagen.pdf
Dort der letzte Topic "Trägerphasenmessung"

Achso, der stolze Preis.
Ich schätze zwei sog. Zweifrequenz-Empfänger und das Inertialsystem. Plus die Software. Plus Installation.
Dafür kann dann furchengenau gefahren, gedüngt, gespritzt, geerntet werden. Kann die Hälfte der Zusatzstoffe sparen.
Mit der Anbindung an Datenbanken können weitere Optimierungen gefahren werden.
Das braucht nicht Bauer Bolle für seine Scholle . Ein paar hundert Hektar sollten's schon sein.



Grüße Roland

renesis

Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von renesis » 21.11.2008 - 17:29

Hi

Danke für die schnellen Antworten; über SAPOS hab ich noch nicht viel gelesen.
Ist SAPOS eigentlich gebührenpflichtig?
Und stehen die SAPOS-Dienste flächendeckend mit gleicher Qualität zur Verfügung? Ich könnte mir vorstellen, je hügeliger die Landschaft wird, desto schlechter ist die Qualität oder?

mfg renesis

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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Taurus » 21.11.2008 - 20:36

SAPOS steht deutschlandweit zur Verfügung und schafft die Genauigkeit bei geringen Geschwindigkeiten auch spielend. Hatten mal einen kleinen Test an der Uni... Leica GPS + SAPOS + Rucksack + Rennrad... ab 16 km/h lag die genauigkeit nurnoch bei 8cm, alles über 29 km/h ging dann schon hoch bis 22cm.

Prinzipiell wird bei SAPOS ein Handy ans Navi gestöpselt und darüber werden die Daten relativ zu einer (virtuellen) Referenzstation empfangen. Das kostet natürlich, genau wie beim Handy wird minutenweise abgerechnet. Es bringt einen jetzt aber kostenmäßig auch nicht um. Schau mal rein: http://www.sapos.de unter "Information" und dann "Entgelte"
Die Qualität wird aber nicht vom Gelände bestimmt... klappt im flachen Niedersachsen genauso gut wie im Alpenvorland.

Für "Großabnehmer" gibts bestimmt auch gesonderte Konditionen (Mutmaßung von mir). ABer da "Großabnehmer" noch nicht aufgetreten sind hat sich da sicherlich noch keiner Gedanken drum gemacht.

@Roland: Warum iss'n die SAPOS-Homepage so mies gemacht ??? Hab 3min gebraucht um herauszufinden das man auf das "+" klicken muss um die Listen zu erweitern... das hätte mich 30cent gekostet wenn ich Korrekturdaten empfangen hätte... *grins*

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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Roland » 22.11.2008 - 02:26

Hallo Taurus,

ich soll die Kollegen mal richtig ausschimpfen ? Prima, wollte ich immer schon *hüstel*
Websites sind halt so'ne Sache.
Aber was machst Du auf dem Rennrad. Und hier ? Ich denke Du steckst in der Prüfung.

Zu SAPOS auf dem Rennrad.
Interessant. Aus dem Bauch meine ich, die Differenzen liegen nicht an Sapos, die Korrekturwerte werden sich nicht so schnell ändern, sondern ich meine am zu geringen Update des Empfängers. Ich habe gesehen, dass die Prec.Farming-Empfänger Updateraten von 10-20 Hz haben.

@ renesis
Ich will noch sagen, dass Du nicht zu John D. gehen kannst und eine GPS-Ausrüstung ordern kannst, die Sapos verarbeitet.
Die werden Dir ihren Dienst verkaufen.
Und was die stolzen Preise betrifft, was kosten eigentlich diese Ungetüme, die ich -ganz Kind- als Traktor bezeichne ?
Ich schätze, in der Relation dazu wird die GPS-Aufrüstung zum Schnäppchen ...

Grüße Roland

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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Taurus » 22.11.2008 - 13:09

SAPOS auf dem Rennrad
Wir hatten da mehrere Theorien woran es liegen könnte... die gesamte Ausrüstung war in einem Rucksack, und je schneller der Mensch in die Pedalen tritt, desto mehr bewegt sich der Rucksack. Es war auch das erste Mal das mit der Leica-Ausrüstung an der Uni etwas kinematisches gemessen wurde, sonst wurde das (bei Autos) mit den Novatel's gemacht.
Musste glücklicherweise nicht selbst aufs Rad, ich hab da so ein traumatisches Erlebnis mit einem Rennrad, den Schuhen mit dieser Einrast-Vorrichtung und einer roten Ampel an der ich anhalten wollte... *kicher*

Hab eine Prüfung schon äußerst erfolgreich geschafft, die nächste ist kommenden Freitag und dann hab ich es fast hinter mir :lol: :lol: :lol:

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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Roland » 17.12.2008 - 01:07

Hallo nochmal,

fand noch zwei Links zum Thema,
Ertragserfassung in der Landtechnik zwar von 2005 aber einige passende Details. Ich hab' mir aus Neugierde die 'Ertragssensoren' flüchtig angeschaut.
Das auch erhältliche Inertialsystem ist in der Skizze nicht dabei.
Hier am Ende was zu
Starfire

Grüße Roland

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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Danielcart » 18.12.2008 - 12:13

wie roland schon richtig bemerkt hat gehts nicht nur um die position und das geradeausfahren der zugmaschine, es kommt eher auf die qualität des ergebnisses mit dem verbundenen einsatz der anbau- und zuggeräte an.

du kannst dir das so vorstellen dass die zugmaschine seitlich einen hügel hochfährt bei einer gesamtmasse jenseits der 10 tonnen mit anbaugeräten vorne und hinten und durch den lockeren untergrund den du am feld immer hast seitlich unkontrolliert abdriftet.
der bauer lenkt nun intuitiv dagegen, mal mehr mal weniger um das auszugleichen. diese systeme berechnen dir nun wieviel dagegen gelenkt werden muss um ein optimales ergebnis zu erziehlen.
du sparst betriebsmittel, arbeitsaufwand, zeit, und meiner meinung nach einer der wichtigsten faktoren: unnötige bodenbearbeitung
also weniger drift, weniger lenkmanöver, weniger bodendruck, weniger arbeit IM boden und daurch eine bessere bodenoberfläche und bodeneigenschaft

klar, 45k euro sind sehr viel, auch wenn die zugmaschinen schon mehr als 15k euro kosten, mir wär das nicht wert, bzw kenn ich derzeit keinen bauern der groß genug wäre um sich sowas zu leisten, aber bei lohnunternehmen sollt das bei niedrigeren kosten bald kommen

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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Roland » 18.12.2008 - 22:53

Hallo,

im Nachbarort ist eine John D. Vertretung :oops:

Habe Kontakt aufnehmen können und will wenn es passt mal rüberfahren.
Ein Traktor, also ein RICHTIGER ... kostet so an die 100.000 .


Grüße Roland

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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Danielcart » 19.12.2008 - 00:16

sorry, hab mich vertippt, ich meinte 150k euro, hab eine null vergessen

bei 100k fangen die größeren an für den lohnbetrieb und nach oben hin keine grenze

ein system um 45k euro rentiert sich nur sehr schwer denk ich mir...

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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Hagen.Felix » 21.12.2008 - 12:26

Nachdem ich mich gerade eben erst hier im Forum angemeldet habe, möchte ich zuerst ein allgemeines "Hallo in die Runde" voranstellen...

Nun jedoch zur Sache: Ein Leit- bzw. Lenksystem mit 2-3 cm Genauigkeit ist (derzeit) zwingend auf eine eigene Korrekturstation angewiesen (siehe http://www.agricon.de/gps-technik/rtk/).

D.h., der Gesamtpreis einer solchen Lösung beinhaltet die eigene Korrekturstation mit UKW-Funksender sowie mindestens einen GPS- bzw. GNSS-Empfänger mit UKW-Funkempfänger für das von der eigenen Korrekturstation gesendete RTK-Signal.

Ob am jeweiligen GPS- bzw. GNSS-Empfänger ein Autopilot (http://www.agricon.de/gps-technik/autopilot/), ein Lenkassistent (http://www.agricon.de/gps-technik/lenkassistent/) oder nur eine optische Parallelführung (http://www.agricon.de/gps-technik/parallelfuehrung/) angeschlossen ist, kann natürlich von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Grundsätzlich wäre es jedoch fragwürdig, die 2-3 cm Genauigkeit der eigenen Korrekturstation wieder am Lenkrad zu verschlechtern...

Der Preis je Fahrzeug hängt also von der Umsetzung bis zur Lenkung ab und natürlich auch davon, wie hoch die Anzahl der Fahrzeuge ist, die eine Korrekturstation gemeinsam nutzen.

Die beiden Marktführer für solche Systeme sind Trimble (offene Standards, weswegen deren Korrekturstationen auch von anderen Anbietern verbaut werden) und John Deere mit seinen SF2 (wie auch bei anderen JD-Produkten immer etwas abgeschottet und inkompatibel zum "Rest der Welt").

Bei weiteren Fragen zu diesem Thema vermittle ich gern an meine Kollegen bei Agri Con - ich bin dort für andere Themen (z.B. http://www.h-sensor.agricon.de/) zuständig...

Viele Grüße aus Sachsen!

Hagen
Gewerbliche Tätigkeit u.a. im Bereich GNSS (siehe https://www.optimalsystem.de/os.aspx?x=411)
Nachrichten bitte bevorzugt als klassische E-Mail (siehe https://www.optimalsystem.de/os.aspx?x=8)

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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Danielcart » 21.12.2008 - 12:33

Vielen Dank für die Erklärung, so hab ich mir das eh vorgestellt.

Dass John Deere mehr als nur gern sein eigenes Süppchen kocht hab ich schon des öfteren bei der Hanhabung seiner Maschinen gemerkt, die sind da etwas eigen, dass es auch beim SF2 System so ist wundert mich nun doch ein bißchen, überrascht mich aber nicht...

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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Roland » 21.12.2008 - 15:58

Hallo Hagen,

schön dass Du hier einsteigst.

Kannst Du dann eine Flächengröße nennen, ab der sich die Investitionen lohnen.
Ich glaube, bei meinen fünf Reihen Kartoffeln genügte für Precision Farming eine GPS-Maus auf der Mütze ...


Grüße Roland

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Re: Genauigkeit von Spurführungssystemen in der Landwirtschaft

Beitrag von Roland » 29.12.2008 - 13:17

Hallo,

das Gespräch werde ich erst nächstes Jahr führen können.
Der Betrieb hält derzeit mit einem Mann nur den Havariedienst aufrecht.

Guten Rutsch
Roland

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