Vorteile eines Dual Frequenz Empfängers

Fragen und Hinweise zu Software, die mit dem Thema GPS zu tun hat. Egal ob PC oder Handheld.

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Stephan
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Vorteile eines Dual Frequenz Empfängers

Beitrag von Stephan » 29.02.2012 - 14:07

Hallo Forummitglieder,

ich habe mir in den letzten Tagen die Frage gestellt, welche Vorteile Dual Frequenz Empfänger gegenüber Single Frequenz Empfänger im "standalone-Betrieb" haben.

Meine Gedanken/ Vermutungen dazu:
- Dual Frequenz Empfänger können nur mit Trägerphasenanalyse (soweit ich weiß RTK genannt) funktionieren, da die L2 Frequenz verschlüsselt ist.
- Sind die Dual Frequenz Empfänger wirklich genauer, oder ist ihnen nur möglich schneller wieder einen Fix zu bekommen, wenn sie mal das Signal verloren haben?
- Was man erreichen will, ist die Integer Ambiguity aufzulösen. Also die wievielte Welle (n) empfange ich gerade?
-- Wie genau bestimmt ein Single Frequenz Empfänger dieses n? Ganz genau oder nur +/- 10, 100, 1000?
-- Wie genau macht das ein Dual Frequenz Empfänger?
-- Wenn beide diese n genau bestimmt haben beide die gleiche Genauigkeit, also könnte der Dual Frequenz Empfänger das n höchstens schneller bestimmen.

Mein Bitte an euch:
Versorgt mich vielleicht mit etwas Literatur zu den Algorithmen/ Ansätzen die den Vorteil einer zweiten Frequenz ausnutzen oder schreibt einfach wie es ist, wenn ihr Antworten auf meine Fragen habt.

Schöne Grüße,
Stephan

p.s.: Super Forum hier!

Deichgraf
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Re: Vorteile eines Dual Frequenz Empfängers

Beitrag von Deichgraf » 29.02.2012 - 14:51

... ich habe im Vorfeld, als ich mich für den eTrex 10 interessierte, viel über Glonass-Empfang gelesen.

Da bei den Vermessern Zeit Geld ist, spielt eigentlich die Verfügbarkeit von Sat-Signalen die größte Rolle in den Berichten.

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Taurus
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Re: Vorteile eines Dual Frequenz Empfängers

Beitrag von Taurus » 29.02.2012 - 19:05

Hi,

ich muss direkt drauf hauen *gg* @Deichgraf

Dual-Frequenz-Empfänger haben NICHTS mit GLONASS zutun... Es arbeitet mit mehr als zwei Frequenzen, sprich: Pro Satellit eine Frequenz, und anhand dieser Frequenz wird der Satellit identifiziert - nicht wie bei GPS wo über den C/A-Code der Satellit identifiziert wird...

Zu den Vorteilen von Dual-Frequenz-Empfängern
1. Mit der Messung eines Satelliten auf zwei Frequenzen lässt sich die ionosphärenfreie Linearkombination bilden, damit sind sie automatisch auch genauer, denn die Ionosphäre fliegt in der Berechnung einfach raus...

2. Das "n" (die Anzahl voller Wellen zwischen Satellit und Empfänger) ist für L1 und L2 nicht identisch, denn unterschiedliche Frequenzen bewirken unterschiedliche Wellenlängen.
Wellenlänge bei L1-Frequenz (1575,42 MHz)=19,03cm
Wellenlänge bei L2-Frequenz (1227,60 MHz)=24,42cm
Da du bei 2-Frequenz-Empfängern beide Phasen misst und die eine in die andere Umrechnen kannst, wird quasi die eine Mehrdeutigkeitsbestimmung (=ambiguity resolution) durch die andere gestützt

3. Es gibt eine Möglichkeit, die L2-Frequenz zu empfangen ohne den Krypto-Schlüssel knacken zu müssen. Das ganze heißt "Z-Tracking" und ich habe keine Ahnung wie es funktioniert... *kicher*
Davon abgesehen bringt es dir nix, selbst wenn du den Kryptoschlüssel hättest, denn du wärst immernoch bei eine Code-Messung auf dem P/Y-Code... einziger Vorteil wären präzisere Bahnparameter die auf L2 gesendet werden.

4. Wenn ich meine Diplomarbeit wiederfunden habe gibt es Quellen dazu...

Taurus

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Taurus
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Re: Vorteile eines Dual Frequenz Empfängers

Beitrag von Taurus » 29.02.2012 - 20:20

Hier die versprochenen Quellen... ich weiß nur nichtmehr in welcher Quelle was stand *ups*

"Satellite Geodesy" (Günter Seeber, de Gruyter- Verlag, 2003)

"Fast precise GPS-positioningin the presence of ionospheric delays" (Dennis Odijk, 2002)

"GPS Satellite Surveying" (Alfred Leick, 1994)

"Untersuchung zu hochpräzisen kinematischen DGPS-Echtzeit-Verfahren mit besonderer Berücksichtigung atmosphärischer Fehlereinflüsse" (Helmut Blomenhofer, 1996)

Stephan
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Re: Vorteile eines Dual Frequenz Empfängers

Beitrag von Stephan » 01.03.2012 - 00:28

Taurus hat geschrieben: 2. Das "n" (die Anzahl voller Wellen zwischen Satellit und Empfänger) ist für L1 und L2 nicht identisch, denn unterschiedliche Frequenzen bewirken unterschiedliche Wellenlängen.
Wellenlänge bei L1-Frequenz (1575,42 MHz)=19,03cm
Wellenlänge bei L2-Frequenz (1227,60 MHz)=24,42cm
Da du bei 2-Frequenz-Empfängern beide Phasen misst und die eine in die andere Umrechnen kannst, wird quasi die eine Mehrdeutigkeitsbestimmung (=ambiguity resolution) durch die andere gestützt
Die Phase steht doch nur für den Bruchteil der aktuellen Welle, also man empfängt z.B. gerade "den 7cm der 19,03cm langen Welle". Wenn ich dich richtig verstanden habe, sagst du, dass man zum Beispiel aus den 7cm der L1 Frequenz die Xcm der L2 Frequenz berechnen kann. Was man außerdem bestimmen kann, ist dass wenn man n = 4 auf der L1-Frequenz hat, man nur n=3-4 auf der L2 Frequenz haben kann. Weiß man noch die Phase der L1-Frequenz weiß man genau welches "n" man auf der L2-Frequenz hat. Ich frage mich nur wie man überhaupt ohne Code-Analyse des GPS Signals das "n" bestimmen kann? Oder geht das eben gerade nicht?

Bitte korrigier mich, falls ich da was falsch verstanden habe! :)

Gruß,
Stephan

p.s.: Danke für die tolle Antwort!

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Taurus
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Re: Vorteile eines Dual Frequenz Empfängers

Beitrag von Taurus » 01.03.2012 - 18:48

Stephan hat geschrieben:Die Phase steht doch nur für den Bruchteil der aktuellen Welle, also man empfängt z.B. gerade "den 7cm der 19,03cm langen Welle". Wenn ich dich richtig verstanden habe, sagst du, dass man zum Beispiel aus den 7cm der L1 Frequenz die Xcm der L2 Frequenz berechnen kann.
So war das nicht gemeint... wenn ich die Mehrdeutigkeiten aufgelöst habe (n = Mehrdeutigkeiten) kann ich die jeweiligen Mehrdeutigkeiten umrechnen (sprich: das was du geschrieben hast). Aus einer reinen Phasenmessung ohne Mehrdeutigkeiten die Phase der anderen Frequenz abzuleiten klappt glaub ich nicht... wobei ich mir da jetzt auch nicht so sicher bin...
Stephan hat geschrieben: Ich frage mich nur wie man überhaupt ohne Code-Analyse des GPS Signals das "n" bestimmen kann? Oder geht das eben gerade nicht?
Ohne Code-Analyse geht das nicht, aber es würde theoretisch ohne Pseudorange-Messung auf dem Code gehen...
Den Code bei einer Phasenmessung brauchst du ja nur um den Satelliten über seine PRN-Nummer zu identifizieren und die Bahnparameter des Satelliten zu bekommen.
Präzisere Bahnparameter kannst du dir ja für's Post-Processing besorgen, einzig die Satelliten-Identifizierung kannst du nicht von aussen stützen. Die musst du real machen...

(Es macht natürlich wesentlich mehr Sinn die Pseudorange-Messung des Codes als erste Schätzung für die Mehrdeutigkeits-Auflösung zu nutzen... aber zwingend ist das nicht)

Taurus

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Re: Vorteile eines Dual Frequenz Empfängers

Beitrag von ssquare_de » 01.03.2012 - 20:15

Hallo Stephan,


die sogenannte Lambda-Methode ist ein weit verbreitetes Hilfsmittel, die Mehrdeutigkeiten bei der Phasenmessauswertung zu überwinden, sprich, zu fixieren.
Dafür solltest du bei der TU Delft und einem gewissen Herrn Teunissen oder auch Herrn Tiberius nachsehen:

http://lr.tudelft.nl/en/organisation/de ... /research/
http://lr.home.tudelft.nl/en/organisati ... da-method/
http://lr.tudelft.nl/en/organisation/de ... lications/

Folgendes PDF ist topaktuell:
http://saegnss1.curtin.edu.au/Publicati ... future.pdf

Da gibts eine ziemlich umfangreiche Abhandlung zu der Lambda-Methode:
http://www.ncg.knaw.nl/Publicaties/Geod ... rhagen.pdf

Und hier ging es vor einigen Jahren (für mich) behutsam los: :wink:
http://home.tiscali.nl/samsvl/software.htm

Der L1-Empfänger ist im Prinzip im Bezug auf die Genauigkeit dem L1/L2-Empfänger gleichwertig.
Der L1/L2-Empfänger besitzt aber den grossen Vorteil, die relevanten Eigenschaften der Ionospähre genau vermessen und damit das anteilig grösste und hinderlichste Fehlerbudget umgehen zu können.
L1-Empfänger müssen mit einem vergleichsweise grob modelliertem Modell der Ionospähre leben, L1-Empfänger, die SBAS-Signale auswerten, bekommen da ein schon viel feineres Modell ( aktueller und auch engmaschiger)
vorgesetzt.
Das äussert sich bei L1-Empfängern mit viel längeren Initialisierungszeiten ( Zeitspanne, bis eine "Fixed"-Lösung vorliegt), und bei möglichen Länge der Basislinien (Abstand zur Referenzstation) muss er für einen zuverlässigen FIX auch um einiges kürzer treten.

Aber wie im "topaktuellen" Link von oben beschrieben:
mit mehr nutzbaren Satelliten (GPS,GLONASS,GALILEO...) und den kommenden zweiten zivilen Frequenzen werden die Vorteile der heutigen, überaus teueren L1/L2-Empfänger wegschmelzen, wie der Reif in der Sonne...:-)
Entwicklungen wie Netzwerk-RTK tragen das Ihrige mit bei.


Stefan
Zuletzt geändert von ssquare_de am 02.03.2012 - 14:57, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Vorteile eines Dual Frequenz Empfängers

Beitrag von Stephan » 02.03.2012 - 12:37

@ssquare_de
Danke für die vielen Quellen. Da hab ich jetzt erstmal viel zu lesen ;)

@Taurus
Ah, jetzt ist das ganze um einiges klarer. Dankeschön.

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